2012-12-10

Texte zu Filmen: Killing Bored Rebels


KILLING BORED REBELS IN OTHER PLACES /
WHATEVER YOU DO, DO NOT MIX THE COLOURS

Ein Film von Anna McCarthy

mit: Rebekka Erin Moran, Hedwig Eberle, Tagar, Anthony McCarthy   
     & Damenkapelle


Der Erfinder der Stereophonie war von dem Spleen besessen, auf Schritt und Tritt und in allen Bereichen und Lebenslagen für Trennungen zu sorgen. Wenn man zumindest einem kleinen Cartoon, der einst im Satiremagazin „Titanic“ abgedruckt war, Glauben schenken möchte, dann lauerte dieser Herr etwa auf verliebte Paare hinter Hecken, um diese beim Knutschen mit einem bösen „Auseinander!“ zu erschrecken. Auf diesem Wege soll ihm also eines Tages die Idee gekommen sein, Musikaufnahmen in zwei Kanäle aufzuspalten.
Ähnliche Lust am Separieren muss Anna McCarthy bei ihrer letzten Arbeit innerhalb ihrer „How To Start A Revolution“–Serie verspürt haben. Das geht schonmal damit los, dass der Film zwei Titel hat. „Killing Bored Rebels In Other Places“ beschreibt die Handlungsebene: Rebekka Erin Moran besucht als böser Racheengel träge Outlaws und knallt sie mit einer Flinte ab. Sie tut das mit einer ähnlich unmotivierten Dringlichkeit wie Godard's Großstädter auf Landpartie in „Week-End“. Einmal räumt sie sogar mit einer ganzen Band und ihrem Spiel auf. Moran's einziger Impuls läuft dabei über Titel Nummer Zwei, „Whatever You Do, Do Not Mix The Colours“, der sie als Credo und Spielanleitung durch fünf Episoden treibt. In Abwesenheit jeglicher Moral löst sie quasi das Gegenangebot ein, das lautet: Du kannst rumballern wie du willst, aber treibs nicht zu bunt!



Zwischen den Episoden darf sie sich dafür während surrealer Work-Outs in einer Art Puppenhaus austoben und dort in die nächste monochrome Farbe schlüpfen. Sogar ihre Augenfarben folgen dabei dem Spielverlauf. Durch die Episoden der Außenwelt wandelt die Totmacherin jedoch mit fest verschlossenen Augen. Weder das tiefe Blau vom Seewasser, das satte Wiesengrün, das Gelb der Honigwaben noch das grelle Rot vom Sportwagen dürfen ihren Blick berühren. Die Welt der Sehenden mit ihren Farbverbrechen durch Blindschüsse auslöschen, das ist Moran's Mission.
Ein augenzwinkernder Kommentar zur Hypokrisie der Mainstreamproduktionen, die entgegen der angeblichen Enttabuisierung aller Sujets weiterhin ästhetische Sehgewohnheiten des "objektiven Auges" bedienen und künstlerisch ambitionierteren Bildgestaltungen, die einem subjektiveren Blick folgen wollen, ein No-Go erteilen. Konsequenterweise steht am Ende der Tod des Filmemachers: Anna McCarthy's Hingabe an die Welt der Erscheinungen, ihre campy überzeichnete Affirmation für prall gesättigte Farben und Oberflächen, sowie die Liebe zum Leerlauf werden durch den letzten Schuss beendet. Wenn der Filmemacher sich selbst als Subjekt manifestiert und plötzlich in Konflikt mit seinem Protagonisten gerät, dann spätestens wird sich der Zuschauer dem doppelbödigen Spiel gewahr. Als habe man zwei voneinander getrennte Filmspuren dabei erwischt, wie sie aufeinander zugelaufen und kollidiert sind.



Und schließlich auf einer dritten Parallelspur: Die Musik von Tagar. Erinnerungen an die Arbeit von Neil Young für „Dead Man“ werden wach, an die schleppend dronigen Wallungen von Bohren & der Club of Gore. Über die ganze Dauer der ansonsten sprachlosen Episoden bröseln und flirren die Gitarren-Arpeggios. Zuweilen entsteht so der Eindruck von einem Musikvideo – und damit, wie auch vereinzelt in den visuellen Motiven, ein Verfahren, in dem Kenneth Anger zitiert wird. Dass die Musik aber speziell für den Film eingespielt wurde, lässt den Vergleich zu einem Musikvideo hinfällig sein. Vielmehr nimmt sie genug Raum in Anspruch, um die Feststellung zu erlauben, dass sie als eigene Dominante abläuft und beide – Film- und Musikspur – auch getrennt voneinander funktionieren. Womit wir wieder beim Ausgangsbild vom Phänomen der Mehrspurigkeit wären. Übereinkunft nur im Schusswechsel.
Don't shoot the guitar player? Pustekuchen! Auch der muss dran glauben. Bauchschuss durch den Briefschlitz. (fs)



No hay comentarios.:

Publicar un comentario