KILLING BORED REBELS IN OTHER PLACES /
WHATEVER YOU DO, DO NOT MIX THE COLOURS
Ein Film von Anna McCarthy
mit: Rebekka Erin Moran, Hedwig Eberle,
Tagar, Anthony McCarthy
& Damenkapelle
Der Erfinder der Stereophonie war von
dem Spleen besessen, auf Schritt und Tritt und in allen Bereichen und
Lebenslagen für Trennungen zu sorgen. Wenn man zumindest einem
kleinen Cartoon, der einst im Satiremagazin „Titanic“ abgedruckt
war, Glauben schenken möchte, dann lauerte dieser Herr etwa auf
verliebte Paare hinter Hecken, um diese beim Knutschen mit einem
bösen „Auseinander!“ zu erschrecken. Auf diesem Wege soll ihm
also eines Tages die Idee gekommen sein, Musikaufnahmen in zwei
Kanäle aufzuspalten.
Ähnliche Lust am Separieren muss Anna
McCarthy bei ihrer letzten Arbeit innerhalb ihrer „How To Start A
Revolution“–Serie verspürt haben. Das geht schonmal damit los,
dass der Film zwei Titel hat. „Killing Bored Rebels In Other
Places“ beschreibt die Handlungsebene: Rebekka Erin Moran besucht
als böser Racheengel träge Outlaws und knallt sie mit einer Flinte
ab. Sie tut das mit einer ähnlich unmotivierten Dringlichkeit wie
Godard's Großstädter auf Landpartie in „Week-End“. Einmal räumt
sie sogar mit einer ganzen Band und ihrem Spiel auf. Moran's einziger
Impuls läuft dabei über Titel Nummer Zwei, „Whatever You Do, Do
Not Mix The Colours“, der sie als Credo und Spielanleitung durch
fünf Episoden treibt. In Abwesenheit jeglicher Moral löst sie quasi
das Gegenangebot ein, das lautet: Du kannst rumballern wie du willst,
aber treibs nicht zu bunt!
Zwischen den Episoden darf sie sich
dafür während surrealer Work-Outs in einer Art Puppenhaus austoben
und dort in die nächste monochrome Farbe schlüpfen. Sogar ihre
Augenfarben folgen dabei dem Spielverlauf. Durch die Episoden der
Außenwelt wandelt die Totmacherin jedoch mit fest verschlossenen
Augen. Weder das tiefe Blau vom Seewasser, das satte Wiesengrün, das
Gelb der Honigwaben noch das grelle Rot vom Sportwagen dürfen ihren
Blick berühren. Die Welt der Sehenden mit ihren Farbverbrechen durch
Blindschüsse auslöschen, das ist Moran's Mission.
Ein augenzwinkernder Kommentar zur
Hypokrisie der Mainstreamproduktionen, die entgegen der
angeblichen Enttabuisierung aller Sujets weiterhin ästhetische
Sehgewohnheiten des "objektiven Auges" bedienen und künstlerisch ambitionierteren
Bildgestaltungen, die einem subjektiveren Blick folgen wollen, ein No-Go
erteilen. Konsequenterweise steht am Ende der Tod des Filmemachers:
Anna McCarthy's Hingabe an die Welt der Erscheinungen, ihre campy
überzeichnete Affirmation für prall gesättigte Farben und
Oberflächen, sowie die Liebe zum Leerlauf werden durch den letzten
Schuss beendet. Wenn der Filmemacher sich selbst als Subjekt
manifestiert und plötzlich in Konflikt mit seinem Protagonisten
gerät, dann spätestens wird sich der Zuschauer dem doppelbödigen Spiel gewahr.
Als habe man zwei voneinander getrennte Filmspuren dabei erwischt,
wie sie aufeinander zugelaufen und kollidiert sind.
Und schließlich auf einer dritten
Parallelspur: Die Musik von Tagar. Erinnerungen an die Arbeit von
Neil Young für „Dead Man“ werden wach, an die schleppend
dronigen Wallungen von Bohren & der Club of Gore. Über die ganze
Dauer der ansonsten sprachlosen Episoden bröseln und flirren die
Gitarren-Arpeggios. Zuweilen entsteht so der Eindruck von einem
Musikvideo – und damit, wie auch vereinzelt in den visuellen
Motiven, ein Verfahren, in dem Kenneth Anger zitiert wird. Dass die
Musik aber speziell für den Film eingespielt wurde, lässt den
Vergleich zu einem Musikvideo hinfällig sein. Vielmehr nimmt sie
genug Raum in Anspruch, um die Feststellung zu erlauben, dass sie als
eigene Dominante abläuft und beide – Film- und Musikspur – auch
getrennt voneinander funktionieren. Womit wir wieder beim
Ausgangsbild vom Phänomen der Mehrspurigkeit wären. Übereinkunft nur im Schusswechsel.
Don't shoot the guitar player?
Pustekuchen! Auch der muss dran glauben. Bauchschuss durch den
Briefschlitz. (fs)
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