Auslaufrille für Karl Denver
Am 16.Dezember hörte Anna McCarthy
via BBC im Sunday Service von Jarvis Cocker den Song „Lazyitis“
von den Happy Mondays, und machte mich darauf aufmerksam. Der Song
erinnerte sie an Das Weiße Pferd. Great. Im Folgenden wollen nun
keine Parallelen zwischen diesen Bands gezogen werden, nur ein paar
lines für Shaun und eine Rille für Karl.
Jarvis brachte den Song zu Ehren von
Karl Denver, der am 16. Dezember 1931 seinen Geburtstag gehabt hatte.
Karl Denver war ein schottischer Populärmusiker gewesen, der die
Kunst beherrschte, seine Stimme jodelnd bis ins Falsett hochzuschrauben.
Auf diesem Wege war Karl mit seinem „Wimoweh“ 1962 bis in die
Top Ten der britischen Charts geklettert. „Wimoweh“ würde heute
vielleicht als Ethno etikettiert werden, und war nichts weiter als
eine Variation eines damals sehr populären Themas, welches in
Südafrika als Folklore der Zulu von Solomon Linda unter dem Titel
„Mbube“ kanonisiert worden war. Durch die Feldaufnahmen von Alan
Lomax war das Stück nach Amerika gekommen, wo die Autorenschaft
Solomon Linda entrissen und Paul Campbell zugeschrieben wurde. Als
Nächstes trat Folk-Pionier Pete Seeger auf den Plan und ersetzte
„Mbube“, was „Löwe“ bedeutet, durch ein lautmalerisches
„Wimoweh“. Ende der Fünfziger verwandelte sich in der Aufnahme mit
seinen Weavers der Löwe prompt in einen Ohrwurm.
Yodeling, wie man es damals aus der Cowboymusik kannte, vermochte auf diesem Weg ein
afrikanisches Thema in die Populärmusik der weißen amerikanischen
Hörer zu integrieren, und auf Augen- und Ohrenhöhe mit Bossa Nova oder Calypso als „Exotica“
zu subsumieren.
Ein paar Jahre später war in der Version der Tokens
der König der Tiere in den Song zurückgekehrt: „The Lion Sleeps
Tonight“ drang Weihnachten 1961 bis ins United Kingdom vor, und
führte dort die Hitparade an. Karl Denver mag wie beim Domino mit
seinem „Wimoweh“ wiederum ein paar Wochen später einen
Spielstein an die Tokens angebaut haben; Allerdings existieren
Demoaufnahmen, die belegen, dass Karl sich schon in den Fünfzigern
an „Wimoweh“ versucht hatte.
Wie die Happy Mondays rund dreissig
Jahre später dem fast in Vergessenheit geratenen Mann mitten im
Madchester Fieber begegnet waren, weiß auch Jarvis nicht zu
berichten, aber es ist anzunehmen, dass es damit zu tun hat, dass
Karl von Glasgow nach Manchester umgezogen war. War „Wimoweh“
Popmusik im besten Sinne, nämlich ein Song, der von verschiedenen
Autoren im Lauf der Zeit weitergeschrieben worden war, so führt auch
„Lazyitis“ eine ganze Liste an Urhebern auf; Zunächst einmal
ist es ein Song, den es auch in verschiedenen Versionen gibt. Erst in
der Albumversion von 1988, auf der Platte „Bummed“, dann im Mai
'89 als Remix mit Karl Denver im Duett und dem „One Armed Boxer“
als Untertitel. Was man da zu hören kriegt, ist die Synthese aus
mehreren Songs, eine Collage. Aber ganz unmerklich, das Stück
gleitet einfach so vorbei, rauscht auf einer Ebene. Am Deutlichsten
bleibt das Zitat von „Ticket To Ride“, mit einem wirren Text, in
dem eine grundsätzliche Verweigerung und der Mythos vom gefallenen
Popstar eine Rolle spielen. Der britische working-class-Glamstar
David Essex findet da mit seinem „Gonna Make You A Star“ ebenso
Eingang wie Sly Stone und die Wombles. Sicher mag das primäre
Interesse von writer/rider Shaun Ryder auch Lennon/McCartney's
Sex&Drugs-message mit den Tickets gegolten haben. Shaun Ryder,
der ewige Druffi. Fast möchte er zu einem „Wimoweh“ abheben,
aber er parodiert nur das Gejodel mit einem „wawawawawa“. Und
dann steht da im Videoclip Karl Denver neben Shaun. Der Song also so
ein mehrarmiger aber einarmiger Fluss, stehen da Alt und Jung wie
unter einem Wasserfall im Regen.
http://www.youtube.com/watch?v=9-Zn3U7Vv9U
Der Videodreh war im Grunde genommen
ein Anschlag auf das Leben von Karl Denver. Nach vier Stunden unter
der Regenmaschine war er fertig, die Folge war eine Lungenentzündung.
Angeblich fuhr er zum Auskurieren erstmal nach Spanien.
Factory Records veröffentlichte wenig
später dafür von seinem „Wimoweh“ eine Hazienda Rave Version,
und als Karl Denver am 21. Dezember 1998 in Manchester starb, war er zuletzt mit seinen 67 Jahren immer noch jünger gewesen, als Shaun Ryder
damals mit 37. Der hatte zu dem Zeitpunkt gerade seine
Mondays-Nachfolgeband „Black Grape“ aufgelöst und war
unglaublich drastisch gealtert. Als ich zum ersten Mal die Bonus DVD
von „24 Hour Party People“ mit den Interviews sah, war ich
entsetzt. Der Film ist von 2002, und Shaun Ryder sitzt da mit knapp
vierzig Jahren am Tisch wie ein Zombie, jemand der weit über die
siebzig hinaus ist. Kokssyndrom, das an Parkinson denken lässt,
Stottern, aufgedunsene Backen, weiße Haut, verquollene Augen,
Glatze. Rennies, Valium, Temazepam. Madchester-Inszenierer Tony
Wilson beschreibt ihn als den Typ mit der unglaublichsten
Streetcredibility, die man sich vorstellen kann. Jemand, der von
einem millionenschweren Vertragsdeal aufspringt, um sich ein KFC zu
besorgen. Und dann war das Kentucky Fried Chicken ein Päckchen
Heroin.
Man kann das „Lazyitis“ Video auch
parallel zu Shaun's Teilnahme in „I'm A Celebrity...Get Me Out of
Here!“ im Jahr 2010 schauen.
Karl Denver heisst hier Gillian McKeith. Zumindest sehen sich die Beiden ähnlich. Nun denn, Shaun Ryder sitzt im australischen Dschungelcamp an der Seite von Gillian McKeith wie auf der Strafbank und frisst Krokodilaugen, Krokodilpenis, faulige Eier, Küchenschaben, Würmer und eine Bullenzunge. Ohne, dass ihm das größere Probleme bereiten würde. Gillian McKeith – Autorin von Ernährungsratgebern mit Titeln wie „You Are What You Eat“– rührt nichts davon an und fürchtet wahrscheinlich, Shaun könne sich gemäß ihrem Buchtitel vor ihren Augen endgültig in ein urzeitliches Tier verwandeln. Shaun's Magen hält das aus. Auch als er im Verlauf einer anderen Prüfung von einer Schlange in die Hand gebissen wird, juckt ihn das kaum. Shaun, der völlig desensibilisierte Alles-Schlucker, kassiert hier nicht zuletzt eine Retourkutsche von Karl Denver; Das Dschungelcamp als in Szene gesetztes Echo auf den Jodler von Karl Denver. War „Wimoweh“ nicht Dschungelmusik? Oder ist das ein Klischee? Ob Karl Denver wusste, dass Südafrika, der Kongo, oder eben der australische TV-Dschungel ganz unterschiedliche Welten sind – unerheblich. Damals sagte man dazu: Dschungelmusik. Und eine Musik, die wenig später auf den Madchester Hype folgte, labelte sich selbst ganz tricky als "Jungle". Festzuhalten bleibt: Der Videodreh für „Lazyitis“ muss für Karl Denver mit Blick auf seine Karriere Erniedrigung und Katharsis in einem Aufwasch bedeutet haben. Erniedrigung und Katharsis, wie sie zwanzig Jahre später Shaun Ryder im Dschungelcamp widerfahren sollte. Die Rache des Dschungels. Shaun Ryder schluckt sie runter.
Karl Denver heisst hier Gillian McKeith. Zumindest sehen sich die Beiden ähnlich. Nun denn, Shaun Ryder sitzt im australischen Dschungelcamp an der Seite von Gillian McKeith wie auf der Strafbank und frisst Krokodilaugen, Krokodilpenis, faulige Eier, Küchenschaben, Würmer und eine Bullenzunge. Ohne, dass ihm das größere Probleme bereiten würde. Gillian McKeith – Autorin von Ernährungsratgebern mit Titeln wie „You Are What You Eat“– rührt nichts davon an und fürchtet wahrscheinlich, Shaun könne sich gemäß ihrem Buchtitel vor ihren Augen endgültig in ein urzeitliches Tier verwandeln. Shaun's Magen hält das aus. Auch als er im Verlauf einer anderen Prüfung von einer Schlange in die Hand gebissen wird, juckt ihn das kaum. Shaun, der völlig desensibilisierte Alles-Schlucker, kassiert hier nicht zuletzt eine Retourkutsche von Karl Denver; Das Dschungelcamp als in Szene gesetztes Echo auf den Jodler von Karl Denver. War „Wimoweh“ nicht Dschungelmusik? Oder ist das ein Klischee? Ob Karl Denver wusste, dass Südafrika, der Kongo, oder eben der australische TV-Dschungel ganz unterschiedliche Welten sind – unerheblich. Damals sagte man dazu: Dschungelmusik. Und eine Musik, die wenig später auf den Madchester Hype folgte, labelte sich selbst ganz tricky als "Jungle". Festzuhalten bleibt: Der Videodreh für „Lazyitis“ muss für Karl Denver mit Blick auf seine Karriere Erniedrigung und Katharsis in einem Aufwasch bedeutet haben. Erniedrigung und Katharsis, wie sie zwanzig Jahre später Shaun Ryder im Dschungelcamp widerfahren sollte. Die Rache des Dschungels. Shaun Ryder schluckt sie runter.
Kleine Randnotiz: Ein Schatten von
„Ticket To Ride“ ist am Ende von „The Dark Side of The Moon“
von Pink Floyd zu hören, kurz vor der Auslaufrille. Man muss nur
ganz laut aufdrehen. Möglicherweise schwirrte zum Zeitpunkt der
Aufnahmen noch ein Geist von dem Song durch die Abbey Road Studios.
Eine Spur von einer Spur. Als Geisterforscher halte ich das für absolut plausibel.
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