Anstelle einer
handelsüblichen Albuminfo ...
Amerikanische
Flottenaktivitäten rund um die japanische Bucht im Westend München
Es dämmert, und das nicht zu knapp!
Nebelhörner dröhnen von Schiffen in der Ferne, angelockt von einer
Kurbelwelle nah am Ohr, die dämmert auf und
simmert ab als stoisch fortlaufender Generalbassmotor, als
Bluesriff ohne Akkordprogression, fern also vom schematischen Wesen
des Blues ... Und doch, mit Einsetzen eines zauberformelhaften
Singsang-Portamento, in luftverspiegelter Nähe zu einem
tribalistischen, malischen Desertblues. Die Schiffshörner und die
Kurbelwelle senden Codes – es ist immerfort
derselbe Code: Zwielicht Zwielicht, es
dämmert und taut, es wummert und raut! Hier wird mit
inszenatorischen Mitteln eine Kulisse gebaut.
Schon wandeln sich die Nebel- zu
Alpenhörnern, deren Walzer auf einer Stufe verharrt, da bricht mit
geisterhaftem Glissando das erste Licht in der Brandung, und aus
fernen Kreuzern und Sternenzerstörern werden Buddelschiffe, als
Modelle eingemacht. Jeder Flaschenhals gibt die Verlängerung eines
Tankerrohrs, jede Saite ein haarfeines Tau, das die Takelage
hochzurrt, all das in Miniatur. Es folgt Propellerbrummen, Bedrohung
aus der Luft, mit Zisch und Krach reissen die Stimmbänder im Sturz,
noch beben sie nach, schon ebben sie ab, die pazifischen
Detonationen.
Die Stadt Sasebo wurde im Jahr 1902 als
Marinestützpunkt gegründet. Japans kaiserliche Kolonialbehauptung
war zur Jahrhundertwende immens, und fortan bis zur Niederlage gegen
die Amerikaner Mitte des 20. Jahrhunderts ungebremst; Im Juni 1945
wurde Sasebo durch einen amerikanischen Angriff zu 48% zerstört, um
gleich darauf zu Diensten der amerikanischen Navy wieder flott
gemacht zu werden. Heute ist Sasebo Partnerstadt von Albuquerque im
US-Bundesstaat New Mexico und Heimat von Japans besten Hamburgern.
Albuquerque mit ihren unaufgeklärten Mordserien und Sasebo mit ihren
hochgeschossigen Burgern – bleierne, düstere Twilightzones.
Das dämmernde Zwielicht lässt sich
ganz einfach als Effekt herbeiführen – indem man die Augen
zusammenkneift. Gangster und Yakuza machen das gern, in Filmen, um
ihre Gegner und auch ihre Zuschauer stets in der Dämmerung zu sehen.
Und dabei selber cool auszusehen! Die Songs von Sasebo haben
die schleichende Körperbewegung von so einem Gangster mit
zusammengekniffenen Augen und
tragen Titel wie Cobra, Gagac, Gogo und Coja, die allesamt wie
Synonyme für das Wort Cool
klingen. Carl Tokujiro Mirwald ist dieser böse Oberboss, der
Große Räuber Tokujiro,
der absolut zu Fürchten ist. Und gleichzeitig ist es natürlich
urkomisch, wenn der Chef in dem Stück Unsari verkündet: »So ein
Leben habe ich satt, von morgens bis abends nur gehorchen zu müssen.«
Von
einer komischen Theatralik beseelt ist ganz generell das Gebaren von
Tokujiros Gegenspieler Toshio Kusaba, etwa wenn der sich in dem Stück
Gagac in Tokujiros Geliebte verwandelt, und dabei den Angehimmelten
bittet, "sie" zu töten, falls dieser "ihre"
Liebe nicht erwidert. Und in Nechan kommt es zwischen Beiden
zu einem traditionellen Geisha-Spiel, wo der Verlierer von "Stein,
Schere, Papier" oder "fli, fla, flu" sich ausziehen
muss. Die draußen lauernde Bande klingt derweil so, wie die
Mützenjungs in den Illustrationen von Walter Trier zu Emil und
die Detektive aussehen, hinter Litfaßsäulen hervorspähend, nur
dass sie keine Detektive, sondern selber Ganoven sind. Einmal von dem
Boss mit seiner Trillerpfeife aus ihren Ecken zusammengepfiffen,
ziehen alle in einem umwerfend lausbübischen Chor die Straße
runter, mit dem alleinigen Ziel, der "schönen Schwester"
den Hof zu machen.
Die denkt in Gogo,
gesungen von Tinka Kuhlmann, darüber nach, wie sich der Vogel zum
Singen bringen ließe. Gogo ist eines der höfischen Lieder aus der
Feder von Gitarrist Yutaka Minegishi, die allesamt wie ein
Gegengewicht zu den verwegenen Stücken von Gitarrist Ivica Vukelic
wirken, die wiederum eher aus amerikanischen Traditionen entsprungen
sind, aus schwarzen Underclass– Traditionen wohlgemerkt, den echten
Volksmusiken eben. Alles auf dieser Platte hat zwei Gesichter. Und
jedes dieser zwei Gesichter hat wiederum zwei Gesichter ... Auf den
Namen Monkey Business war
die Yacht getauft, die dem US-amerikanischen Demokrat Gary Hart zum
Verhängnis wurde, als er diese zur Ausübung und Stillung seines
außerehelichen Paarungsdrangs während seiner
Präsidentschaftskandidatur im Jahre 1987 betrat. Und Monkey
Business ist auch der Originaltitel der
Slapstick-Klamotte Die Marx Brothers auf
hoher See, in
deren Verlauf die
Brüder als blinde Passagiere an Bord eines Ozeandampfers zwischen
die Fronten zweier rivalisierender Gangsterbosse geraten. Am Ende
gelingt sie ihnen natürlich, die Einreise nach Amerika, dank ihrer
gewitzten Tricksereien.
Die Gruppe Sasebo
treibt schon seit etlichen Jahren ihr hinterlistiges Spiel mit
kulturellen Klischees. Nach
zwei Vinylveröffentlichungen im Mittelformat beim Label Echokammer
bringt nun das Label Gutfeeling ihr erstes Großformat auf die Welt.
Aufgenommen, abgemischt und überwacht wurde dieser spitzbübische
Musikzirkus von Zoro Babel und Manu Rzytki. Kommen Sie nur rein, und
hören Sie selbst, hören Sie!
SASEBO
SASEBO
MONKEY BUSINESS (Gutfeeling
/ VÖ 01.06.2020)
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