g.rag/ zelig
implosion deluxxe
LAUT LOS
(Gutfeeling
/ VÖ 01.05.2020)
Wüsste es der
Pressetexter selbst nicht besser, würde er verlauten, die neue
Scheibe von g.rag / zelig implosion deluxxe entstand in Schichtarbeit
auf dem Werksgelände einer Fabrikanlage. In Nacht- und Nebelschicht,
Made in West Germany,
Bavaro–Amerikanischer Sektor. Im Krautland. Im Präteritum.
Wie aus der
Fernmeldeanlage einer non-stop durchgetaktet pulsierenden
Produktionsstätte dringt eine megaphonisiert verhüllte Stimme durch
die verzahnt laufende Betriebsamkeit und verkündet Verse, die nach
verwischten Spuren aus Moderne Zeiten
oder kryptischen Prophezeiungen aus dem Grammophonzeitalter
klingen:
»automation,
kommunikation, television - kenn ich schon
animation,
korruption, faszination - kommt davon
«
Kurz darauf schon
gleicht die Stimme den Fetzen einer letzten Warnung aus einer
geborgenen Blackbox, während sich die Belegschaft weiter durch den
Rhythmus der Stechuhr schiebt – nicht gewahr werdend, dass der
Kollaps längst bevorsteht:
»life
ain't easy / if you're living in the past / if your talk's
input–output / we call it boring boring – that's da look of da
world«
Aber
der Pressetexter weiß nichts besser! Weil es nichts besser zu wissen
gibt. Vorbei sind die Zeiten, da sich eine Publikation
selbsterklärend bis zum Offenbahrungseid mitteilte, um dem
freilaufenden Denken der Zuhörer vorauszugreifen: Mit einem Transfix
ändern sich Vorzeichen, und alte Information verschwindet! Egal ob
feindliche oder arrangierte Übernahme – es kommt die große
Baulücke und es gibt keine sichere Bahnhofshalle mehr ...
Das
ist das Grundrauschen und subtiles Narrativ dieses Albums. Und
trotzdem, oder gerade deswegen, haken g.rag/ zelig implosion deluxxe
nach, track
by track,
und eröffnen genau wie auf dem letzten Album Schöner
Warten erneut
mit einer
Begrüßungsfahrt.
Und – bei aller Implosion – Wind und Schwung
hat diese Fahrt! Der Moog von Prof. Deluxxe gleitet gespentisch
leicht auf Zeligs schaukelnden Schienen dahin, die Leinen sind los,
g.rag stellt die Weichen, und das Trio ist ein organisches Ganzes.
Und
natürlich klingt Laut
Los
nach der Ästhetik einer versunkenen Moderne, die hierzulande längst
abgewrackt und schrottgepresst ist. Schließlich gibt es noch
Regionen auf dieser Welt, auf deren Straßen die alten
Automobilfabrikate Made
in West Germany
state of the standard sind. Geht's
Noch? Ja,
wenn man will, dann geht's eben doch!
Und Geht's
Noch
ist klares Statement gegen jegliche Abschottung, Ausgrenzung und
Fremdenfeindlichkeit ...
Schlussendlich
weiss jeder Akkord und jeder Schlag auf Laut
Los,
dass die Welt auf Prekariat gebaut ist, jeder Akkord und jeder Schlag
auf Laut
Los
sucht die Anbindung an sog. Parallel- und Subwelten. Selbst wenn die
Musik zu dieser Platte aus keinem halligen Fabrikszenario kommt,
vielmehr in einer räumlich eng begrenzten DIY–Werkstatt
eingespielt wurde – gefertigt wurde die Platte ja dennoch und
tatsächlich in einer Fabrikanlage, deren Maschinen laufen day
in day out.
Am
Ende implodiert die Platte: Das Stück Laut
Los selbst
ist
natürlich das "leiseste", verträumt vernebelt
verschwindend ...
Legende, für die Presse:
Laut
Los
ist die Erweitung von Schöner
Warten
(2018) und gleichzeitig auch Antithese zu Neue
Stadt (2018),
dem aktuellen Album von G.Rag & Die Landlergschwister. Wie schon
auf dem Debut-Album Tanz
No Wave
(2016) mit einem Stück von Wire und einem von Palais Schaumburg auf
Schöner
Warten,
enthält Laut
Los
neben den Eigenkompositionen eine Coverversion aus
Postpunk-NoWave-Zeiten: Mit Viel
zu Viel
von F.S.K. hören wir g.rag nun den jungen Thomas Meinecke
interpretieren, und es ist, als würde uns ein Implosionsmotor nach
tausenden von Kilometern Laufzeit mit Kolbenfraß wütend
anschnauben. g.rag hat sich diese Stücke nicht nur völlig zu eigen
gemacht – er lebt in ihnen, verkörpert sie.
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