2013-01-27

Satori in L.A.




Satori in L.A.

Von den einundzwanzig Tagen in L.A. landete jeder erster Morgenblick von mir auf der Leinwand neben meinem Bett: Ein Münchner im Himmel. Den Titel hätte ich niemals erraten. Im Halbdunkel von Hanks Atelier glaubte ich in dem abstrakten Liniennetz immer eine Weltkarte sämtlicher Munitions- und Waffendepots samt Lieferantenrouten zu erkennen, so sehr glich das Bild einem Geheimplan, und hinter einem Geheimplan steckt immer die Logik des Militärs. Wir ziehen in den Wirrwar wäre mir als Bildunterschrift und Persiflage auf solch eine Kartographie ganz plausibel erschienen. Aber Hank sagte "Nee, kuck doch...", und führte mir die Verwandlung von Truppenbewegungen zu Wolken und von Brennpunkten zu Bierkrügen und rings durch den Raum seine anderen Bilder vor, frisch  aufgestaffelt noch das blaue
Poolposter nach David Hockney. Blau in blauem Löschwasser
stand es hier bereitim Schindler House iWest Hollywood,
allöschendes Element für Lis on Fireeine Gruppen-ausstellung, die in wenigen Tagen in der David Lawrence
Gallery, drüben in Beverly Hills, auf die Feuerwalze vom 
letzten Spätsommer anspielen sollte. Als die hungrigen Flammen von den Hügeln bis nach Santa Monica runtergezüngelt waren. Aloisius Hingerl, der Engel aus Ein Münchner im Himmel, er hätte das Feuer sicher mit Bier gelöscht.

Kraulte ich vormittags den Kopf im Nacken in den ozeanischen Himmel getauchte Palmen und Orchideen im Blick durch die Vorgartenlagune der Cochran Avenue runter bis zum Pico Boulevard, krochen mir nach wenigen Schritten beissende Brandbilder in die Nase. Von einem inneren Warnsystem kuratierte Bilder, einem Meister des Realismus, der die prächtigsten Villen binnen Sekundenbruchteilen entwerfen, bauen und abrauchen lassen kann. Kopfkino, immer der Lunte nach. Dann war es nur der Ruß, der noch roch, als das italienisch angehauchte Schlösschen vor mir auftauchte. Am Tag vor meiner Ankunft soll es ein einzelgängerisches Feuer in einen sorrentinischen Holzofen verwandelt haben. Jetzt sah es aus wie ein verbranntes Capriccio, und machte nicht den Eindruck auf mich, jemals richtig real existiert zu haben. "Warmer Abriss", raunte Brandherdexperte Roberto Ohrt. Der Phantomforscher kennt sich aus mit Rauchzeichen – in seinem Badezimmer umspannt ein mit Worten ausgestanzter Lampenschirm eine Glühbirne, die, einmal angeknipst, als Laterna Magica ringsherum die Wortlichter in girum imus nocte et consumimur igni kreisen lässt. Das Anagram von Heraklit. Guy Debord hatte es einst wiederbelebt. Vorwärts wie rückwärts dreht es sich nun in Robertos Bad, Heraklits und Debords "Nachts gehen wir im Kreis und werden vom Feuer verspeist". Bei unserer ersten Begegnung in St. Pauli, unweit von dem lateinisch lichten Wortbad, wollte ich von ihm wissen, was eigentlich aus der situationistischen Internationale geworden sei. "Die ist gerade unterwegs", antwortete Roberto.
Und jetzt saß er da, in Hanks weißem Haus in West Hollywood, ganz Albert Finney in seiner Verkörperung des Konsuls in John Hustons Unter dem Vulkan–Verfilmung, mit dem Unterschied dass Robertos Sonnenbrille weiß gerändert ist. Saß da und teilte mir bei einer Partie Herz ist Trumpf einen Rat aus: "Du darfst nicht vergessen Abzuheben." Und genau das schätze ich mal ist mit dem LAND passiert, das einst hinter den Lettern von HOLLYWOOD stand. Vier Buchstaben, die nun fehlen wie die Filmrollen von Four Devils, Murnaus verschollenem Trapezfilm – abgehoben und in die Lüfte entschwunden.

Und ich denke an den Landeanflug zur Stadt der Engel, und an den Himmel über Berlin, in dem ja auch zwei Engel hocken, Bruno Ganz und Otto Sander. Der Wunsch, am Leben der Sterblichen teilzuhaben, wird bei Damiel alias Bruno Ganz so groß, dass er dafür bereit ist, auf seine Unsterblichkeit zu verzichten. Er lässt sich in die Welt hineinwerfen und verliebt sich in die Trapezkünstlerin Marion alias Solveig Dommartin, die sich nichts mehr wünscht, als sich von der Erdschwere lösen zu können. 
Neben mir, auf dem Flug von München nach Los Angeles, sitzt vielleicht kein Engel, aber eine Exil-Berlinerin. Ich mag diese Frau, die mir ihre ganze Geschichte erzählt. Die davon handelt, wie sie es geschafft hat, sich von der Berliner Erdschwere zu lösen. Von ihrer Flucht über die Ost-West-Grenze, im Kofferraum eines Diplomatenautos. 1977 war das, zehn Jahre bevor Wim Wenders nach Berlin kam, um den Himmel zu filmen. Mit ihrem ersten Mann, einem Physiker, zog sie zunächst nach Boston, und nun lebt sie getrennt und glücklich in Naples, Floridas Neapel. 
In diesem Moment öffne ich wieder meine Fluglektüre, starre sprachlos auf den Satz, auf den mein Blick im Buch von Enrique Vila-Matas fällt, falle wie aus allen Wolken. Der flüchtige Doktor Pasavento hat beschlossen zu verschwinden und verrät an dieser Stelle endlich dem Leser, also mir, wo er sich momentan aufhält: In Neapel.

Nicht ganz vierzehn Jahre zurückgeblättert. Im Sommer 1994 kaufte ich mir unterwegs nach Neapel an einer Tankstelle ein Tape, ein Album von David Bowie. Das 1977 mit Tony Visconti in Berlin – Hansa by the Wall steht als Studioname im Booklet – aufgenommene Heroes. Natürlich werden wir bei Heroes immer an die fünfzehnjährige Christiane F. denken. Wir, denen uns als Fünfzehnjährige der Bahnhof Zoo von Uli Edel in der Schule gezeigt wurde. Denken an die Szene, da Christiane und Detlef vor den Bullen aufs Dach vom Europa-Center flüchten und von dort oben unter dem blauweiß leuchtenden, und bis in alle Ewigkeit rotierenden Mercedes-Stern über die Brüstung wie zwei Engel ohne Flügel auf Berlin blicken, während Bowie, Eno und Fripp mit dem flirrenden Brandungsrauschen von Heroes unten im Parterre die Zeit in Schach halten. Nur wenige Monate vor meiner Reise nach L.A. war der Mercedes-Stern mit seinen zehn Metern Durchmesser und den 680 Leuchtstoffröhren erstmalig zum Stillstand gekommen. Man hatte die Motorik unter Hubschraubereinsatz im April 2007 reparieren lassen. Und ich denke an dieser Stelle an ein anderes Buch von Vila-Matas, das irgendwo im Kofferraum der Zeit zwischen 1977 und 2007 seinen Platz findet – Dada aus dem Koffer, ein dünnes Buch, in welchem ein Unterseeboot namens Bahnhof Zoo auftaucht. Vila-Matas schreibt, er wisse nicht, weshalb er es so nannte, aber nun ergibt sein Einfall Sinn.

Damals, 1994 unterwegs nach Neapel, war ich eigentlich gerade in einer Phase, da ich Platten von Black Flag aus L.A. zu hören und straight edge sein zu verstehen versuchte. Meinen eigenen Verbrennungsmotor pflegte ich allenfalls hochtourig und sportiv anzufeuern, und so kam es, dass ich nun gerade auf der Höhe jener Tankstelle, die Bowie im Kassetten–Drehständer führte, mit einer Überdosis Guarana zu kämpfen hatte. Herzrasen. Puls im Kopf. Panik. Heroes im Walkman beruhigte daraufhin die Nerven wie eine Boje inmitten turbulenten Fahrwassers, eine rettende Leitplanke für die Ohren. 
Bowie soll sich damals die Klangvorstellungen von Conny Plank gewünscht haben, und so soll der Titel auch als Referenz an das Stück Hero von Neu! verstanden werden dürfen. Plank habe aber abgewunken, für ein Popalbum wäre ihm seine Zeit zu schade. Und dann, dank Brian Eno, klangen Low, Heroes und Lodger doch noch nach Plank. Egal ob sich Bowie mal flennend fallen lässt, mal ausgenüchterte Traumbilder evoziert, ich höre das Album heute noch mit den Bildern von Amalfi im Kopf, mit neapolitanischen Treppen rauf und runter, mit Lust auf eine Pizza in Sorrent. Bowies Neuköln hat nur ein "L". Ein Neuköln, das streng genommen geographisch gar nicht verortbar ist, und so höre ich es und bin wieder im Gestrüpp von Capri, laufe den Berg von Capri rauf und runter, erinnere mich an eine Anekdote aus dem Doktor Pasavento, in der Vila-Matas schildert, wie er mit einer Gruppe spanischer Schriftsteller einen Nachmittag auf Capri verbringt, Bernardo Atxaga auf mysteriöse Weise mitten auf der kleinen Insel verschwindet, und erst, als alle nervös geworden sind, wieder auftaucht und erklärt, er habe sich nur unter eine Hochzeitsgesellschaft in der Villa Tiberius gemischt, und Pedro Zarraluki auf der Rückfahrt nach Neapel sauer ist, weil er lieber eine Exkursion nach Pompeji unternommen hätte, und V-2 Schneider höre ich und blicke in den Krater vom Vesuv. 
Zur selben Zeit, 1994, während einer Recherche über die Reise von Malcolm Lowry nach Pompeji, traf Roberto Ohrt die Vulkanologin Charlet Kugel in Neapel, aber damals hatte das noch nichts mit meiner Geschichte zu tun.

Kugels Bild von einem zerstörten Los Angeles hing nun im Januar 2008 gleich links neben Hanks Hockney in der David Lawrence Gallery. Gegenüber die schwarzen Messerschnitte, die Roberto aus Hamburg mitgebracht hatte, und die wir alle gemeinsam ein paar Tage vor der Eröffnung mit dem von Raymond Pettibon geborgten Projektor als Murals hingepinselt hatten. Hinter der Wand wiederum, an der Hank und Kugel hingen, fand sich das kleine Archivzimmer mit den zwei Kippenberg-Skulpturen – zig gerauchte Zigarettenstummel zu supersize-ashtrays geleimt, ein Abgeseng auf smoking times.
Daran musste ich denken, als ich an meinem letzten L.A.–Abend im Capri für einen Moment allein am Tisch zurückblieb, da die Anderen zum Rauchen rausgegangen waren. Daran, und wie ich in jenem kleinen Archiv das Buch Helter Skelter aus dem Regal gezogen hatte, und mir daraus ein böser Fluch von Charles Manson entgegengesprungen kam: "My thoughts will bring fire to your cities". Huch, schnell wieder zugeklappt und nicht dran denken! Daran dachte ich, und was Veronique Bourgoins Video Now I Wanna Be Your Horse wohl bedeutet haben mochte, das ebenfalls durch jenes kleine Archiv galoppiert war, und fragte mich, ob ich noch weiter auf mein Satori warten sollte, oder ob ich es schon gefunden hatte, nur noch erkennen musste.
Daran also, und wie stimmig vom ersten Moment an alles gewesen war, als ich am Morgen meiner Abreise in Richtung Franz-Josef-Strauss Flughafen in den Bus gestiegen war, und der Bus in meiner Straße schon die Richtung gewiesen hatte: US-Ostbahnhof. "Na klar", hatte ich gedacht, "von den USA aus betrachtet ist jeder europäische Bahnhof ein Ostbahnhof, ein US-Ostbahnhof". 

Das Capri ist ein von Martin Kippenberger gegründetes Lokal in Venice, dem Venedig von Los Angeles. Es ist Teil einer sehr gesättigten aber niemals befriedigten Welt, dachte ich, als ich Raymond Pettibon und seine Sorgenfalten wieder neben mir Platz nehmen sah. Das ist der Mann mit dem chronischsten Stirnrunzeln der Welt, dachte ich, und auch an die Cover von Black Flag, die er gemalt hatte. Deren Abschiedsalbum In My Head mich immer noch wegen der Raumaufteilung im Mix beeindruckt, wegen der Stimmen im Hintergrund und dem Hall, dem nach hinten gedrehten Henry Rollins. Wahrscheinlich hat ihn Raymonds Bruder so leise gedreht, denn im Vordergrund stehen Variationen vom immer gleichen Gitarren-Pattern von Greg Ginn, und Raymond Pettibons bürgerlicher Name ist Raymond Ginn. 
Ihm gegenüber, am Tischkopf, Roberto mit sonnenverbranntem Gesicht. Den Sonnenbrand hatte er vom Skifahren irgendwo in den Bergen, dem Mount San Antonio oder dem Mount Baldy, Raymonds Projektor hatte er im Kofferraum. Apropos Projektor – eine der interessantesten Veröffentlichungen des Jahres 2007 war Rise Above von den Dirty Projectors. Erst beim vierten Hörversuch dieser überdreht beboppten Musik fiel mir auf, was sich David Longstreth da zusammengereimt hatte, was den ganzen Clou bei der Sache ausmachte: Alle zehn Songs stammen aus der Feder von Greg Ginn, aus dem Black Flag Album Damaged. Mit einem völlig konträren Ansatz, der die Texte umso verstörender kommen lässt. Trällernde Stimmen mäandern durch die Depression, die Police Story mit Streichquartett und Querflöte arrangiert, die Originale ganz subversiv in ein farbenfrohes Licht gehängt.

Viele Türen hatten dieser Tage aufgehen müssen. Roberto hatte noch mit einem nicht anwesenden Andy Hope die Phantom Gallery am Sunset Boulevard eröffnet, und Daniel Richter war gelandet und hatte in Begleitung von Ted Gaier und Melissa Logan Rock und Polizei in den Regen Projects am Santa Monica Boulevard eingeweiht. Wir tranken auf die schwere Tür der David Lawrence Gallery, die wir gemeinsam fluchend die drei Stockwerke runter bis zu Lucys Bus geschleift hatten, damit Lucy Dodd zuhause ihr Rauchbild an die Tür qualmen konnte. Ein offenes Feuer in der Galerie hatte David verboten.
Lucy Dodd und ihr Rauchbild waren schon vormittags in der Erinnerung an das Konzert von White Williams im Echo wiedergekommen, unterwegs mit Hank in die Wüste, nach Joshua Tree. Hank legte die CD von White Williams ein, das Album heisst Smoke, es zündete sofort. Da kam natürlich das Rauchbild wieder, und Lucy, wie sie sich auf dem Konzert im Echo in eine Säule verliebt zu haben schien.

Joe "White" Williams erinnerte mich ein bisschen an den jungen Marc Almond, und zählte mir nach dem Auftritt seine Vorbilder auf: Cluster, Faust, Popol Vuh, Neu! – Krauts eben, während der Gitarrist mich an Robert Fripp erinnerte. Smoke sprach zu uns wie das Werk eines jungen Phoenix aus der Asche der Götter des Glampop, des New Wave und des DjuDju und aller Jugendträume dieser Welt, deren Zukunft irgendwann von einem Feuer verschlungen worden war. Auf der Höhe von Palm Springs hörten wir die Worte von Route to Palm, dem letzten Song des Albums: Once we found ice inside the flame, as inside I’m behind the flame, und We know we know we know we know the shadow. Ein Wind fegt die Wüste.

Zuerst veröffentlicht in IN München 07/2008 / revisited und überarbeitet 01 /2013.











2013-01-23

Peng! Du bist tot!



Peng! Du bist tot!

Das geht mir zu direkt
Wer will es so direkt?

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!

Ich will es analog
will es weiter weg!


Peng! Ping! Pong!

Nahaufnahme kommt
Musik zoomt näher ran
Im Kopf neue Membran
Wellenrauschen Netzhaut

Du denkst: das ist so
 wirklich
Du denkst: das ist so
 wirklich

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!


Altes Medium
'ner mörderischen Sekte
alte Medien
fällig im Ersten
im Zweiten im Dritten


Leinwandtod
Breitwandtod
Super Achttod
Schreibmaschinentod

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!


Kameratod
Millimetertod
Diktiergerättod
Kassettenlaufwerktod

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!


Ukwtod
Videotod
Celluloidtod
Kamerakinotod

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!

Diabildtod
Televisiontod
Lichtprojektortod
Entwicklungswassertod


Nur deine Pistolen
Gehörn' nicht zum Alteisen
Schuss im Gegenschuss
Güterzüge gleisen

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!

Telefontod
Papaskinotod
Formeleinstod
Pressemeldungstod

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!

Da sind jetzt alle drauf
Da ich bin voll drauf
Und drin ist Ingolf Lück
Im Film vom Winkelmann

Peng! Du bist tot!
Peng! Du bist tot!

Das ist mir zu direkt
Ich will jetzt weiter weg

Achtundsiebzig ist weit weg
Siebenundachtzig näher weg

Am Ende muss ich jeden Pickel sehn 




















Stills aus "Peng! Du bist tot", 1987












2013-01-07

Viertelrhythmen

Rhythmen aus der Nachbarschaft (hastig getippte Platzrunde)


Rampe rauf I

 1. Henry Rollins – Wir sind die Eltern von L.A. (Für Harvey Kubernik) :43

 2. Chuck Dukowski – Schwarzes Buch, Auszug :4.3 (produziert von Harvey Kubernik) 

 3. Mike Watt – Schubkarre :47 (produziert von Harvey Kubernik. Ein hektischer Kurzmurks.)

 4. Chuck Dukowski – Schwarzes Buch, Auszug :8.5 (produziert von Harvey Kubernik)

 5. D Boon – Von selbst 1:37 (dieser junge Mann sah KISS mit seinem Vater und Mike Watt in
    der Long Beach Arena.)

 6. Chuck Dukowski – Schwarzes Buch, Auszug :12 (produziert von Harvey Kubernik)

 7. Charles Bukowski – Ich brauche keine Cleopatra 1:43 (produziert von Denny Bruce)

 8. Michael C. Ford – Munition (Henry Rollins gewidmet) 1:42 (produziert von Rick Winward und  Harvey Kubernik)

 9. Henry Rollins – Mein Haus 2:10 (produziert von Harvey Kubernik für Freeway /2/13/61)

10. Chuck Dukowski/Joe Nolte – Rennen, Intro :8.5 (produziert von Harvey Kubernik)  

11. Chuck Dukowski – Sonnentempel :24 (produziert von Harvey Kubernik)

12. Henry Rollins – Gekreuzigt :15 (produziert von SPOT)

13. Jack Brewer – Champs Elysees 2:05 (A&R: Hank Rollins. Produziert von Harvey Kubernik)

Bei SST Records und Nixon Management genagelt. Zusammenkunft: Henry Rollins, Greg Ginn, Kira Roessler, Billy Stevenson, Davo, Mugger, Joe Carducci, Tom Trocolli, SPOT, Pettibon, Slovenly Peter, Black Flag, die Ginns, Chuck D. und die Dukowski Diät. Vollends ausgeschöpft: die Minutemen (George Hurley, Mike Watt und D. Boon).

14. Gerald Locklin – Hitzkopf in Watt :30 (produziert von Harvey Kubernik)   

15. Michael Steele – El Pollo Loco 1:58 (produziert von Harvey Kubernik)

16. Phast Phreddie – Was Cooles :55 (produziert von Harvey Kubernik für Stimmdruck-  
     Holztürschaden- Produktionen. 1982er Sitzung.)

17. Jack Skelley – Durch Gardena mit einer Farbdose voller Scheisse laufen :27 

18. Dennis Cooper – Alternativ-Dennis 2:35 (Little Caesar Press. Produziert von Harvey
     Kubernik.)

19. Glen Mont – Wir reden nicht, wir berühren uns :50 (richtig, Leute, hier handelt es sich um
     denselben Glen Mont, der 1966 mit der King Company auf der Teenage Fair im Hollywood
     Palladium spielte. Salonübernahme mit Bürstenpinseln.)

20. Exene Cervenka – Perfektion :30 (produziert von Harvey Kubernik)

21. Bob Flanagan – Fick Sonett :40 (produziert von Harvey Kubernik)

22. Amy Gerstler – Trost 1:25 (produziert von Harvey Kubernik)

23. Michael C. Ford – Venice West 1:31 (produziert von Harvey Kubernik für 1964-1984
     Produktionen. Die Bachbett-Kids ziehen auf Riesenrädern runter nach Culver.)

24. John Harris – Das Evangelium nach John 1:27 (produziert von Harvey Kubernik. Danke,
     John, für Papa Bach.)

25. David Brian Wolfe – Culver City Rückblick  :45 (produziert von Harvey Kubernik. Aufgepasst,Dan Perloff: Laut dem Kumpel Aztec und David B. Wolfe, dem ehemaligen Präsidenten der Culver Hochschule, sind die Seeds im Robert Frost Hörsaal aufgetreten. P.S.:Woody hat immer noch das beste Stammwürzbier der Stadt. Frag deine Eltern nach dem Flughafendorf.)

26. Gustave Ridley – Giftige Leute :44 (ein Gedicht aus dem Unbuch "Von der Langeweile zur 
      Glückseligkeit". Produziert von Harvey Kubernik)

27. Linda Albertano – Eine Statistik :15 (produziert von Harvey Kubernik und Ethan James für 
     Freeway/Ear Movie Records)

28. Bill Bentley – Marina del Dennis 1:11 (produziert von Harvey Kubernik. Sommer 1983, 
      Strandwarnung...)

29. Lisa Freeman – Liebesbezug 2:05 (produziert von Harvey Kubernik)

30. Skip Engblom – X-24-47 :30 (produziert von Harvey Kubernik)

31. Lisa Derrick – Hassbett :48  (produziert von Ethan James)



Rampe rauf III

1. Scott Goddard – Derzeitige Beschäftigung :33 (produziert von Harvey Kubernik)

2. Bruce Gary – Ping Pong: live Schlagzeug solo, aufgenommen in der Stadthalle Beverhungen, West Germany, 1983 :30 (produziert von Bruce Gary mit mobilem Tonstudio)

3. Nancy Gottesman, Rex Gottesman – Wilbur Ave. :56 (produziert von Harvey Kubernik)

4. Nancy La Perch – Valley Rock Führer :17 (produziert von Harvey Kubernik. Ms La Perch hat überdies eine Liste mit Musikern und Künstlern ausgefüllt, die "eine Notwendigkeit im Leben" sind. Diese beinhaltet: Nick Cave, Leonard Cohen, Bryan Ferry, Scott Walker, Jimi Hendrix, Marianne Faithful, Jim Morrison, Jim Carroll, Sisters of Mercy, Brian Jones, Rik. L. Rik, Iggy Pop, Steven Tyler, (der frühe) Neil Young, Ian Curtis, Richard Butler, Ian McCulloch, David Bowie und Stiv Bators. Um Nancy zu daten ist ein Shag-Schnitt beinahe obligatorisch. Kommt einer Einverständniserklärung für eine Veröffentlichung seitens der Band gleich. Nur in Encino...) 

5. Jeffrey Lee Pierce – Meine Träume :20 (produziert von Harvey Kubernik)

6. Bill Inglot – Hamburger 2:19 (produziert von Harvey Kubernik und Ethan James für 
     Freeway/Ear Movie Records)

7. Jeffrey Lee Pierce – Hommage an Miles Davis :14 (produziert von Harvey Kubernik)

8. Bill Inglot – Rock Video 1:12 (produziert von Harvey Kubernik)

9. Madeline Ridley – Autohölle 1:32 (produziert von Jill Fraser)

10. David Trinidad – Tims geklauter Pulli 1:49 (produziert von Harvey Kubernik)


11. Alexx Gordon – Schneid den Vogel :59 (produziert von Alexx Gordon)

12. Luis Campos – C.I.A. :51 (produziert von Harvey Kubernik)

13. John Trubee und die hässlichen Hausmeister von Amerika – Neonozeanische Mautstraße :20 (produziert von John Trubee)

14. Tequila Spottdrossel – Unterwegs zu Be Bop Platten und Fine Art in Reseda :12 (produziert von Harvey Kubernik)

15. Brad Laner – Bewaffnet die Studenten! 1:20 

16. Bob Sherman – Szene aus Genesee :07 (produziert von Harvey Kubernik)

17. Olivia Barash – Honigfuhren 1:24 (produziert von Harvey Kubernik)

18. Lee Lurie – James Brown Aftershow Gedankenknall :27 (produziert von Lee Lurie)

19. Michael C. Ford – Der Lobgesang ist verstimmt (für Bobby Troup) (produziert von Harvey Kubernik)

20. Miles Ciletti – Hollywood High war eine Schule. Jetzt ist es ein Konzept :05 (produziert von Harvey Kubernik)

21. Nancy Lopez – Lustträume 1:06 (produziert von Harvey Kubernik)

22. Randall Kennedy – Produkt 1:43 (produziert von Harvey Kubernik)

22. Susan Rind – Süße Sechzehn :58 (produziert von Harvey Kubernik)

23. Kid Congo – Australisches Tourtagebuch 1:44 (produziert von Harvey Kubernik)

24. Louis Lista – Hollywood- und Hochlandkreuzweg :07 (produziert von Harvey Kubernik)

25. Walter Lacey – Fleischfoltermann (Eine Einführung) 2:05 (produziert von Harvey Kubernik)

26. Kim Fowley – Allahs Garten :27 (produziert von Harvey Kubernik)

27. Rich La Bonte – Videomusik :06 (produziert von Rich La Bonte)

28. Kim Fowley – Die Stammestrommeln schlagen :20 (produziert von Harvey Kubernik)

29. Rodney Bingenheimer – Gibt es hier Mädchen? :02 (produziert von Harvey Kubernik)

30. Thea Other – Walt Disney ist umsonst gestorben 2:05 (produziert von Harvey Kubernik)

31. Velvert Turner – L.A. (zur Erinnerung) :07 (Madonna der sieben Monde Inc.,produziert von Harvey Kubernik)

32. Chris D. – Sonnenhitze 1:31 (produziert von Harvey Kubernik. Meine letzte Sitzung in den Goldstern Studios.) 

33. Was meine Nachbarn von mir denken 2:21 (Dan Borris/Lance Loud/Rosemarie Rene Patronette/Margy Rochlin. Produziert von Harvey Kubernik)




(Anm.: Diese Auflistung gemäß den Seiten eins und drei der Spoken Word Doppel-LP "Neighborhood Rhythms", Freeway Records, Los Angeles 1984, zu übersetzen und zu tippen war mir ein archivarisches Vergnügen. Namedropping als Bildschirmschonung fürs Gehirn. Überschriften mit Sekundenangaben – konkrete Poesie. Only tribes let us survive.)



2013-01-04

Hotel Rimbaud

Hotel Rimbaud – The Bill

Bei meiner Ankunft in Aden bezog ich das falsche Hotel. Hohe Zimmerdecken, ein andalusischer Patio mit Glasdach und die Spuren einer verlorenen Zeit hatten mich auf den ersten Blick begeistern können. Das Personal schien total entspannt zu sein. Qat kauend kauerte man im Stile des Novecento auf Staubfängern im Foyer. Selbst wenn der Untergang der Titanic vor der Tür gestanden wäre, hätte das keinen der Anwesenden aus der Ruhe gebracht. Gut gelaunt zahlte ich im Voraus und trat hinaus ins Freie. Nach einem pfiffigen Spaziergang in kompletter Windstille kehrte ich auf mein Zimmer zurück. Kleine Kakerlaken kamen die Tapeten runtergekrabbelt und nahmen Kurs auf meine Reisetasche. Ich verliess das Haus noch vor Anbruch der Nacht. Schade eigentlich, der Name hatte mir so gefallen: "Hotel Rambo". 
Von meinem Bruder erfuhr ich, dass Rambo gar nicht auf den Hollywoodkrieger bezogen war, sondern auf Arthur Rimbaud – die Betreiber hatten es nur nicht so mit der Rechtschreibung. Rimbaud war jahrelang in Aden festgesessen. Er hatte dort zwischen 1880 und 1891 in einer Kaffeerösterei gearbeitet, verdiente aber anscheinend nicht genügend Geld um weiterzukommen. Der ex-Dichter und Autor von "Das trunkene Schiff" muss Aden gehasst haben. Diese, in einen Vulkankrater gebaute, höllisch heisse Stadt, in der kein Baum wächst, bezeichnete er in seinen Briefen als den "furchtbarsten Ort auf der ganzen Welt". Aden heisst ursprünglich eigentlich „Paradies“.

Im Februar 2006, während meinem ersten Aufenthalt in Aden, bekam ich eine Einladung aus Berlin, mit einem künstlerischen Beitrag ein Gast der Galeri Baberton zu werden. Catriona Shaw, die man als Musikerin und Künstlerin auch unter dem Namen Miss Le Bomb kennt, hatte diesen Ort erfunden. Eine fiktive Galerie, die nur im virtuellen Raum besuchbar sein sollte, und exklusiv "Kritzeleien" ausstellte. Der Name Baberton war eine Anspielung auf eine gleichnamige Siedlung, die 1962 von der Firma George Wimpey als Satellitenort vor Edinburgh errichtet worden war. Ein künstlich erschaffener Ort, eine Schlafstadt. Catriona ist gebürtige Edinburgherin, und damit ist der Beweggrund, Baberton karikieren zu wollen, gefunden. Ich fragte Catriona, ob es in Ordnung ginge, wenn ich ihr ein paar Fotos von objets trouvés aus dem Jemen schickte, und sie sagte: Ja.
Umso mehr in Ordnung ging mein Konzept, da die Fotos eine Sammlung gefundener Kritzeleien darstellten. Nachdem ich diese abfotografiert hatte, arrangierte ich lediglich die Ausschnitte und die Zusammenstellung und gab den Bildern Namen. Zu sehen waren auf diesen Fotos ausschließlich Geldscheine. Mir war aufgefallen, dass im Jemen kaum Scheine kursierten, die nicht bekritzelt waren. Statt von objets trouvés zu sprechen, müsste man hier eigentlich den Begriff Ausgehändigte Kunst erfinden. Schaut man sich nun diese Bilder, die von Hand zu Hand wandern, an, so scheinen es tatsächlich kleine Motive zu sein. Oftmals handelt es sich auch einfach um Rechnungen, die direkt auf dem Schein notiert worden waren. Der Titel meiner Ausstellung, "Hotel Rimbaud – The Bill", bezog sich zum Einen direkt auf diese Rechenspiele, zum Anderen auf Dinge, die ich im Gegenzug für den Wert eines solchen Geldscheines erhalten haben mochte. Nicht zuletzt eben ein Hotelzimmer. Die Einzeltitel der Bilder zitierten nebenbei noch ganz leise die Arbeit "Casio, Seiko, Sheraton, Toyota, Mars" des US-amerikanischen Künstlers Sean Snyder aus dem Jahr 2005.


In der Galeri Baberton stellten über die Dauer ihrer Existenz zwischen 2004 und 2006 desweiteren Anna Duffy, Fred Bigot, Eva Revox, Isabel Reiß, David Sandreuter, Hank Schmidt in der Beek, Niklas Schechinger, Mie Nielson, Midori Harata, Robert Burghardt, Doreen Kirchner und Jo Zimmermann aus.
Catriona schreibt, sie habe damals auch versucht, diese virtuelle Galerie in einem realen Raum zu verankern. Es gab "Eröffnungen" in einer Bar in der Friedelstraße, Neukölln, dem "Heroes". Erst vor Kurzem sah ich am Eingang neben der Tür im Vorbeigehen das Foto der gleichnamigen LP von David Bowie hängen. Dem zweiten Album seiner Berlin-Trilogie. Ein Titel darauf heisst "The Secret Life of Arabia".