2020-12-20

Serie: Filmessays zu Musikstücken von Le Millipede (2)

2nd Leg  

Zuerst kommen die Fassschläger, kommt das Hämmern ihrer Schlägel auf die Fässer, ihr Schallen durch der Altstadt menschenleeren Straßen. Dann kommt der Reifenschwinger, ohne einen Tropfen zu verschütten lässt er den Holzreifen schwingen, das Schnapsglas obenauf. Am Ende landet es hinter seinem Rücken, in der Mütze vom Kasperl, dem Spaßmacher. Kunterbunt wie eine Vogelscheuche thront der in der Mitte über der Szenerie auf einem Schaff, rings um ihn rum einen Ring formend mit Buchskränzen, so kreisen die Schäffler um ihn, ein Pestband einjeder quer über der Brust, zu weißen Kniestrümpfen, schwarzer Kniebund, Schurzleder, roter Jacke und grüner Kappe mit weißem Federbusch. Böttcher und Büttner, Küfner und Küper, Fassbinder, Simmer- und Tonnenmacher sind sie andernorts in ihrer Zunft, hier sind sie Schäffler. Schwarz ihre Schuhe, die tanzend voltigieren, die Menschen zurück auf die Straßen, die Gassen, die Plätze zu führen. Es ist die Pest, die sie an der Longe hält, seit 1515 hinter Schloss und Riegel gebannt, und nun, im 1517er, von den mutigen Fassmachern ausgekehrt, ein Leben herausfordernd, was gewagt werden will. Und so hört sie auf, und hört doch nie auf, die kreisrunde Szene im Spielwerkserker, um Elf und um Zwölf und um Fünf Uhr final, die kinematische Ordnung mit Glockengeklirr.


Eine Etage höher, chronologisch verkehrt, wird davor dargestellt, wie Adel sich bindet und öffentlich von kündet, auf dass die ganze Stadt weiss: Der Wilhelm, der Fünfte, und die Renata von Lothringen, sie haben sich gefunden, im Februar 1568 als Herzog und Herzogene hier auf dem Marienplatze sich herrlich verehelichtend. Sechzehn Figuren sehen wir in dieser Szene, wenn sich Herolde und Narren, Fanfarenbläser und Pagen, Standartenträger und Morisken drehen und nochmal drehen, das Turnierfeld zu säumen, in welches der Platz wird verwandelt, drauf Bayern und Lothringen sich schlagend, ein Reiter muss fallen, ein Opfer für den Gemahl, wenn Weißblau stößt Rotgelb mit der Lanz hart vom Gaul. Derweil reglos verweilt das Fürstenpaar und ihr Marschall. Doch hier tanzen Morisken ihren Schellentanz, konvertierte Muslime und maurische Sprungfedern mögen sie sein, wenn ihnen die Cascabeles gleich Klingglöckchen bis in die Fußspitzen rasseln, wie nur der getrockneten Kirschpaprika Samen beim Schütteln eben rasseln.


Achtzehn Tage Hochzeit, wir sehen sie in kaum drei Minuten, wie in einem Panoptikum aus der Vorfilmzeit, in wachsfigürlicher Erstarrung, in der Zeit vor dem Film, als der Film noch nicht erfunden und es kein Kino noch gab. Nicht zu sehen bekommen wir den Lebensabend von Wilhelm und Renata in klösterlicher Frömmigkeit: Auf Feierei und Wandlung vom Hennen- und Badehaus ins weltberühmte Hofbräuhaus folgten Abdankung und Entsagung. Nein, in ewig schleifender Wiederholung, ein Schlaglicht auf die Vermählung, in einer Erfindung, um Massen aufblicken zu lassen, und von oben aus ihnen beim Aufblicken zusehen zu können. Doch der Schäffler Fassschläger, sie sind nicht zu sehen, in dieser Neo-Gothik von Neunzehnhundertundzehn. Allein die klingenden Glocken lassen die Tänzer sich drehen, als Ablenkung davon, dass Hauberrisser hier keine Vision im Geiste erschien, als er hier zu München nachbauen ließ den Belfried von Brüssel und das Neue Rathaus von Wien.

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