Der
kaltblütige Samariter von Mariahilf
Ein Hörtext von
Pico Be
Produziert für Kammerspiele München / Urban Prayers
Sprecher:
Laura Anastacia Ernstberger, Manuela Rzytki
Raumgestaltung & Video: Gabi Blum / Fotos: Anna McCarthy
Raumgestaltung & Video: Gabi Blum / Fotos: Anna McCarthy
Irgendwo
auf halber Wegstrecke zwischen München und Berlin bekam ein junger
Handlungsreisender einen Maßstab anverliehen, anhand dem es uns
gegeben sein sollte, den Abstand zwischen diesen beiden Städten mit
der Entfernung zwischen den Städten Jerusalem und Jericho in
Relation zu bringen, und diese seine Handlungsreise in eine
testamentarische Parabel zu verwandeln. Einen Maßstab, den wir an
der Autobahnraststätte Frankenwald angelegt haben möchten, nicht
irgendwo also, sondern genau auf halber Wegeslänge verortet.
Die große Rast auf einer Handlungsreise trägt sich gewiss so gut wie immer auf halbem Wege zu, da möchte diese Handlungsreise keine Ausnahme machen. Und nicht anders zu rasten hatte sich auch der namenlose Samariter entschieden, der uns heute noch nur als der „Barmherzige Samariter“ aus der Bibel im Gedächtnis weilt: Er, der wie alle seine samarischen Landsleute im Rufe gestanden haben soll, gütig, gewissenhaft und gläubig zu sein, hatte auf halber Wegeslänge zwischen Jerusalem und Jericho Gelegenheit gefunden, einem verwundeten und misshandelten Mann, den all die frommen und reichen Passanten zuvor keines Blickes gewürdigt hatten, Hilfe, Trost und Beistand zu spenden. Dieser Samariter hatte sich durch diese Tat als der großzügigste aller Reisenden erwiesen, hatte er doch seine Zeit und seine Geduld jenem armen Kerl geopfert. Und über diese großherzige Tat hinaus schleudert er uns nun bis heute seinen Maßstab entgegen, auf dass dieser an der zentraldeutschen Raststätte Frankenwald unserem noch namenlosen jungen Handlungsreisenden in dem Augenblick ins Gewissen schnellt, da Juris Blick auf ihn am Rastplatz fällt.
Doch
wer zum Teufel ist Juri und wie kommt Juris Blick in den Bus?
Für
eine historiographisch stimmige Passbildqualität unserer
Städteparallelen kann nicht allein der Belichtungsmoment eintreten,
in welchem wir das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter und die
Begegnung zwischen Juri und dem Handlungsreisenden festhalten: Auf
halber Wegstrecke aufgetischt, im Niemandsland zwischen Jerusalem und
Jericho wie im Ausblick auf die nicht mehr zu sehende Mauer im
Dreispurland der Brückenraststätte Frankenwald verankert, müssen
wir schon bald die Handlungsebene berühren, um mit einer hübschen
Summe wohlwollender Messwerte ausgestattet die Parabel vom
kaltblütigen Samariter konstruieren zu dürfen.
Beobachten
und sammeln wir zuvor noch mehr Messwerte rund um das
Begegnungszentrum Frankenwald ein, so fällt auf, dass die Distanz
zwischen Jerusalem und Jericho auf der Karte wesentlich geringer
aussieht, als die zwischen München und Berlin, und auch diese
objektive Unpässlichkeit mag man zugunsten dieser Parabelisierung
nachsehen, wenn man die Unterschiede im jeweils subjektiven
Fahrgefühl mit einkalkuliert. Da wäre das Fahrgefühl des
Linienbusgestotters, in welchem sich der Münchener Handlungsreisende
an einem Herbstmorgen recht bequem festgesessen hat, und das
Fahrgefühl des Eselgetrödels, mit dem sich der biblische Samariter
nicht ganz unbeschwert in die Historie eingeritten haben mag. Hinzu
gesellt sich noch der Höhenunterschied, der einen direkten Vergleich
eher favorisiert. Von Jerusalem, der Stadt, in der es dem Namen nach
Frieden regnet, während sie gleichzeitig stets im Trockenen liegt,
hinab nach Jericho, dem ältesten und am tiefsten gelegenen Ort der
Welt, ist es eine richtige Abfahrt.
Von
der Schnittstelle, an der „der Himmel die Erde küsst“, hinab zu
der Stadt, die nach dem Gott Jarich benannt „Mond“ heisst, oder
auch „Mann, der die Mauern niederreisst“ bedeutet, sofern man
einem Kind den Namen Jericho gibt, liegen ähnlich viele Höhenmeter,
wie im Falle einer Abfahrt von München nach Berlin. München, von
Mönchen erbaut, von Bier gestillt, Ort des blauen Himmels und
himmlischer Gleichgültigkeit, und dann Berlin, die Stadt im Sumpf.
Denn nichts Anderes bedeutet Berlin in seinem slawischen und
altpolabischen Ursprung – schlammiger Sumpf und Morast.
Wir
müssen uns also diese Busfahrt vorstellen wie die Busfahrt in dem
Film „Der Weg, der zum Himmel führt“ von Luis Buñuel, nur
rückwärts betrachtet, als würden wir uns den Film rückwärts
anschauen. Der Weg führt nach unten und zurück in der Zeit.
Der
Bus hatte nervös die Sammelstellen abgeklappert, immer wieder auf
Anschlüsse gewartet, während das Rein und Raus der Reisenden,
beladen mehr wie Aufbrecher nach Übersee, ein wenig Arche Noah
Gefühl aufkommen liess.
Hat
Jemand in den 60er, 70er oder 80er Jahren, also den Dekaden der
innerdeutschen Mauer, da Frankenwald exakt auf dieser Mauerlinie lag,
je so eine „Wallfahrt“ unternommen?
Die
große Rast war nicht in Hof, wie bei dieser Linie sonst üblich. Wie
schon erwähnt, pausierte der Bus in Frankenwald zu Rudolphstein.
Frischluft, in der Mitte einmal gut gestreckt. Draußen glattes
Licht, das sticht, da sieht den Münchener Handlungsreisenden ein
mittelalter Mann, jener Mann, der vorhin ganz laut im Bus geschnarcht
hatte, in einem karierten Hemd auf halbem Weg zur Brücke an.
Eigentlich
hatte ihn das Geschnarche genervt gehabt. Er hatte sich während der
Busfahrt auf seine Gedanken konzentrieren wollen, über die Gründe
seiner Abreise nachdenken wollen, in Gedanken Abschied nehmen, wie
man so sagt. Bei der Umformung von Abgründen in Abschiedsgedanken,
da war ihm das Geschnarche schon lästig bei gewesen, aber irgendwann
hatte er sich daran gewöhnt. Seinen Freunden gegenüber hatte er
gesagt, er habe sich dazu entschlossen, München zu verlassen, weil
er das tägliche Gedröhne der Glocken von Mariahilf nicht mehr
ertragen habe.
„Aus München haben mich die Glocken der Mariahilfkirche
vertrieben“,
pflegte er gesagt zu haben, obschon ihm bewusst war, dass es sich
dabei nur um einen so dahin gesagten Witz handeln konnte, und den
Freunden war dies auch bewusst. Der spitzrote Glockenturm von
Mariahilf hatte für ihn immer etwas Raketenhaftes gehabt, genau wie
bei der Heilig Kreuzkirche in Giesing und bei St.Johann Baptist oben
am Johannisplatz in Haidhausen, weswegen er Carlita jedesmal zur
Namensfindung ihrer direkt dort am Platz gelegenen Bar gratulierte,
zumindest eben immer dann wenn er die „Rakete“ betrat.
Was
die Freunde nicht ahnen sollten, war die Begebenheit, dass mit der
Ankündigung des Gemeindepfarrers, den Raketenturm von Mariahilf mit
Europas zweitgrößtem Carillon aufzurüsten, ein tief sitzendes
Schuldgefühl im Gewissen des Handlungsreisenden Platz genommen
hatte, und von dort nicht mehr aufstehen wollte, weshalb ihm keine
andere Wahl blieb, als eines Tages selber aufzustehen und
fortzugehen. Ein
Carillon mit sechzig Glöckchen sei dabei, gegossen, gezimmert und
nach München gerollt zu werden.
Daran dachte er im Bus nach Berlin, an die Zeitungsmeldung im Merkur,
in der dies zu lesen gewesen war, darüberhinaus wie stolz der
Pfarrer und der Mesner über ihr Projekt waren, und dass der
Gottesvater sich selbst als „glockenverrückt“
bezeichnete. Und als just im Moment der Lektüre das schallendste
Bimbam über den Platz rollte, welches hervorzurufen die Turmglocken
auch ohne der Verstärkung durch ein neues Carillon in der Lage
waren, da wünschte der junge Mann der gesamten Pfarrei den Tod,
angefangen mit dem Mesner über den Pfarrer bis hin zu den Chorknaben
schickte er seinen Fluch. Diese Erinnerung begleitete ihn in seinem
Innersten, als Juri ihn über den Rastplatz hinweg ansah und „Hallo,
Entschuldigung“ sagte,
ohne die momentan ablaufenden Erinnerungen des Handlungsreisenden zu
ahnen.
Als
im Juni diesen Jahres der Mesner in den Freitod sprang, vom hohen
Backsteinturm auf den gepflasterten Freiplatz vor Mariahilf hinab, da
ahnte unser Handlungsreisender, dass es besser wäre fortzugehen. Er
hatte den Sprung nicht gesehen, die Meldung vom zerplatzten Mesner,
der ohne erkennbaren Grund in die Tiefe gesprungen, war abermals vom
Merkur überbracht worden, aber schuldig fühlte er sich doch, so
schuldig wie der Knabe in Buñuels „Das verbrecherische Leben des
Archibaldo de la Cruz“ eines Verbrechens für schuldig befunden
wird. Des Verbrechens, kraft böser Gedanken seinen Mitbürgern Tod
und Unglück zu bescheren. Oft hatte er sich in den Tagen nach diesem
Fluchmord mit Gott unterhalten, in den Tagen vor seiner Abreise hatte
er mehr Gespräche mit Gott als mit seinen Mitmenschen geführt. Gott
sagte ihm am Ende nur noch, er wolle ihn in München und schon gar in
der Au nicht mehr sehen, er solle gehen.
Berlin
sei ein gottverlassener Ort, das wäre eine Option, dort würden sie
sich nicht begegnen müssen. Dort würden sich die Menschen nicht mit
Gott unterhalten, sondern miteinander. Ein gottverlassener Ort. Ein
Zufluchtsort für Gedankenverbrecher, eine Stadt wie ein
Gedankenkiller, das schien ihm ein passendes Exil.
So
war es also gekommen, dass er, der Handlungsreisende sich an diesem
Vormittag in den Bus nach Berlin eingefunden hatte, nicht ahnend,
dass sich dort am Tiergarten die Kirche mit Deutschlands allergrößtem
Carillon befindet.
Da
nahm ihm in diesem Augenblick zur Mittagsstunde Juri seine Schuld,
sagte „Hallo,
Entschuldigung“
und machte einen Samariter aus ihm.
Juri
war einen Moment eher noch dieser lästige Schnarcher gewesen, der
mit der gesamten Reisegesellschaft seine trüben Ausdünstungen
geteilt hatte, und als der Handlungsreisende dieses „Hallo,
Entschuldigung“
an sich adressiert spürte, war sein erster Gedanke zunächst
„verflucht,
ich hab kein Geld zu verschenken“ gewesen.
Juri sah aus wie ein Gespenst, aschfahl, grau und zerfurcht, sicher
älter als er war. Ein desolater Anblick, ein verzweifelter Ausdruck.
Er schwitzte ziemlich. „Bitte“,
sagte er, und reichte ihm die Hand, „ich
heisse Juri. Ich brauche Hilfe.“
Dann deutete er mit seiner Hand auf seinen Bauch, auf die Stelle, an
der sich seine Leber befand. „Ich
habe ein... Problem“. Eine
Geste, die der Handlungsreisende verstand, Juri hatte in ihm den
Samariter erkannt. „Was
ist los?“
fragte der Samariter. Juri hob leicht das Kinn, blickte kurz auf
seinen Bauch, presste seine Lippen zusammen und schüttelte langsam
den Kopf. „Ich
bin Alkoholiker. Ich brauche... Alkohol. Sonst sterbe ich. Verstehst
du das?“
Der Samariter nickte. „Ich
muss diese Fahrt noch durchstehen. Bis nach Litauen. Heute. Ich habe
kein Geld mehr.“ „Was brauchst du?“
Juri schüttelte den Kopf, „einen
Schnaps, kannst du mir das besorgen? Ich wäre dir ...dankbar. Ich
gebe dir meine Adresse.“ Der
Samariter schüttelte den Kopf, „Wodka?“
„Ja, das wäre gut. Ich weiß nicht, wie ich danken soll.“
Sie gingen hinüber zu dem Brückenrestaurant, und Juri schilderte
auf dem Weg sein Unglück. Seine Frau hatte ihn verlassen. Aus
irgendeinem Grund, der damit zusammenhing, war er ohne einer einzigen
Münze in der Tasche losgereist. „Es ist mir egal“, sagte der
Samariter,
„wie du zu deinem Unglück gekommen bist ist mir egal. Du brauchst
Hilfe, und ich helfe dir.“
So gingen sie schweigend die Stufen zum Gusticus
hinauf. Ein Self Service, ein Burger King und ein Souvenirshop. Dort
fand sich die Ware. Juris Augen wurden lebhafter,
„vielleicht doch ein Chantré“,
„nein,
nein. Wir haben gesagt Wodka. Ist doch auch besser,“
sagte der Samariter. Er bedeutete der Dame hinter der Theke, ein
Fläschchen Zarewitsch aus dem Regal zu greifen. Juri nickte. Während
dem Kassieren glitten die Blicke des Samariters über das Angebot an
Mitbringseln. Da fanden sich Fläschchen mit einer grünen
Flüssigkeit, auf deren Etikett „Affenkotze“
stand. Auf anderen Schnäpschen stand „Rhein-Spritzer“,
mit dem Buchstaben „h“ in Klammern gesetzt, als Wortwitz. Das
waren Fläschchen, die wie Spermazellen geformt aussehen sollten.
Daneben gab es unidentifizierbare Souvenirs, auf denen stand „Mit
Liebe geschenkt“ und
„Für
Dich“.
Erst beim Treppenabstieg überreichte der Samariter Juri den Wodka.
Schweigsam gingen sie vorbei an einem Turm aus Kästen der regionalen
Brauerei Mönchshof. Auf dem Etikett war ein Kapuzinermönch
abgedruckt.
Wieder
im Bus nach Berlin. Juri schnarchte und schwitzte wieder. Die
Gedanken an das Carillon kamen wieder. Ein Werbeschild am
Autobahnrand sagte auf Höhe der Schlosskirche Eisenberg: „Ich
halte dich.“
Und darunter „www.gott.de“, der link zur Homepage von Gott.
Einmal
in Berlin, traf man sich im Kreis um den Münchener Samariter in
einer Altberliner Kneipe. Man studierte verschiedene Sorten Bier,
allesamt Erzeugnisse aus bayerischen Klosterbrauereien. Das
Weißenoher Glockenhelle und der Irrseer Urtrunk mündeten in
Erlebnisberichte aus der weiten Welt. Paulus, Schauspieler und
Ex-Türsteher vom Münchener Atomic Café erzählte von seiner
einwöchigen Klausur bei den Benediktinern der Abtei Andechs, als
Vorbereitung auf seine nächste Rolle. Die Brüder seien sehr in
Ordnung gewesen. Allabendlich habe er ein Tragerl Bier und einen Krug
Wein in seiner Kammer vorgefunden. Einmal habe ihm sogar ein Bruder
des Nachts Nachschub bringen wollen. Ganz verdutzt sei er gewesen,
als er schlaftrunken auf das Klopfzeichen hin dem beseelten Mönch
durch den Türspion ins pausbackige und rauschebärtige Antlitz
geblickt habe. Sofort habe er sich in seiner Rolle als Türsteher
wiedergefunden, habe „heute
nicht“
geschnaubt, woraufhin ihm der fremde Bruder Absolution für all seine
schlimmen Erlebnisse und Streitereien vergangener Nächte an der
Clubtür erteilt habe. Der Aufenthalt habe insgesamt eine sehr
reinigende Wirkung entfaltet.
Diese
Episode ermunterte die Runde zu einem halben Andechser Doppelbock.
Ohne das dies bereut worden wäre. Es folgte eines berühmten Autors
Schilderung einer durchwachten Nacht am Mailänder Bahnhof. Der
berühmte Autor habe sich in Erwartung des ersten Morgenzugs dort
eine Bank geteilt mit einem bärigen Burschen, der ihm aus seiner
skandinavischen Heimat erzählt habe. Die beiden hätten schon
beinahe Freundschaft geschlossen, Familienfotos, Bilder von Frau und
Töchterchen, diese kleinen Bildchen, die hinter klarsichtigem
Plastikschutz in Portemonnaies drinstecken, seien vor seinen Augen
aufgeklappt worden, als der Mann auf die Frage, was denn sein Ziel in
den kommenden Tagen sei, „well,
shooting muslims right between the eyes“
zur Antwort gegeben habe. „Down
there, in Bosnia, you see?“
und seine Reisetasche habe die Größe und Umrisse eines Gewehrs in
der Vorstellung des Autors zugelassen. „That's my gun.“ Gegrinst
habe dieser trunkene Bär. Damals, in den frühen Neunziger Jahren.
Es war Krieg im Balkan. Und er, der Banknachbar, habe sich als
Söldner zu erkennen gegeben. Als Söldner in göttlicher Mission. „I
hate those goddamn muslims so much“
habe er geflucht und ausgespuckt. Dabei eine kleine Taschenbibel
hervorholend, und zwei Finger darauflegend habe er gesagt: „For
God, my country, my wife.“
Noch nie habe der bekannte Autor eine so kurze Freundschaft gepflegt.
Schnell habe er den größeren Wartesaal aufgesucht. Die Geschichte
nahm dann aber doch noch ein amüsantes Ende, als der im Wartesaal
zwischen anderen Zugreisenden eingenickte Autor vom Geplärre und
Geschnaube des christlichen Söldners draussen am Bahnsteig
aufgewacht sei, da die Bahnhofspolizei diesen hinaus komplimentiert
habe. Er habe sicher gesehen, dass es diese Arabs
gewesen seien, die ihm seinen Koffer gestohlen hätten. Jaulende
Flüche, die sich entfernend in der Nacht verloren.
Der
Samariter verabschiedete sich aus der fröhlichen Runde. Ein paar
Türen weiter weckte jedoch der Name einer Bar seine Neugier. Ohne
weiter innezuhalten kehrte er ins „O Tannenbaum“ ein. Das
Neuköllner „O Tannenbaum“ ist nun kein Ort für Ruhe und
Besinnung, doch der Samariter ging festen Schrittes an den Tresen,
fest entschlossen hier an Ort und Stelle bei dem Wirt seine Beichte
abzulegen. Dem Münchener Samariter schien der Mann hinter der Bar
mit den vielen Biermarken hinter sich der ideale Beichtvater zu sein.
„Bist
du der Wirt?“
fragte er ihn direkt. „Nee,
ich helfe heute nur aus.“
„Aushilfe?“
„Ja.
Wieso?“ „Aushilfe ist auch gut.“ „Was willst du?“
Da will der Samariter ansetzen, um ihm von seinem Gedankenverbrechen
zu berichten, doch der Barjunge winkt ab und reisst den Pegel vom DJ
rauf, so dass kein Wort mehr zu verstehen bleibt. So laut wie die
Trompeten von Jericho an die Stadtmauern gedröhnt haben mögen,
schallte es aus den Membranen und an sein Trommelfell. Eine Beichte
und ein ungestörtes Komplizentum waren nun möglich.
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