2013-01-04

Hotel Rimbaud

Hotel Rimbaud – The Bill

Bei meiner Ankunft in Aden bezog ich das falsche Hotel. Hohe Zimmerdecken, ein andalusischer Patio mit Glasdach und die Spuren einer verlorenen Zeit hatten mich auf den ersten Blick begeistern können. Das Personal schien total entspannt zu sein. Qat kauend kauerte man im Stile des Novecento auf Staubfängern im Foyer. Selbst wenn der Untergang der Titanic vor der Tür gestanden wäre, hätte das keinen der Anwesenden aus der Ruhe gebracht. Gut gelaunt zahlte ich im Voraus und trat hinaus ins Freie. Nach einem pfiffigen Spaziergang in kompletter Windstille kehrte ich auf mein Zimmer zurück. Kleine Kakerlaken kamen die Tapeten runtergekrabbelt und nahmen Kurs auf meine Reisetasche. Ich verliess das Haus noch vor Anbruch der Nacht. Schade eigentlich, der Name hatte mir so gefallen: "Hotel Rambo". 
Von meinem Bruder erfuhr ich, dass Rambo gar nicht auf den Hollywoodkrieger bezogen war, sondern auf Arthur Rimbaud – die Betreiber hatten es nur nicht so mit der Rechtschreibung. Rimbaud war jahrelang in Aden festgesessen. Er hatte dort zwischen 1880 und 1891 in einer Kaffeerösterei gearbeitet, verdiente aber anscheinend nicht genügend Geld um weiterzukommen. Der ex-Dichter und Autor von "Das trunkene Schiff" muss Aden gehasst haben. Diese, in einen Vulkankrater gebaute, höllisch heisse Stadt, in der kein Baum wächst, bezeichnete er in seinen Briefen als den "furchtbarsten Ort auf der ganzen Welt". Aden heisst ursprünglich eigentlich „Paradies“.

Im Februar 2006, während meinem ersten Aufenthalt in Aden, bekam ich eine Einladung aus Berlin, mit einem künstlerischen Beitrag ein Gast der Galeri Baberton zu werden. Catriona Shaw, die man als Musikerin und Künstlerin auch unter dem Namen Miss Le Bomb kennt, hatte diesen Ort erfunden. Eine fiktive Galerie, die nur im virtuellen Raum besuchbar sein sollte, und exklusiv "Kritzeleien" ausstellte. Der Name Baberton war eine Anspielung auf eine gleichnamige Siedlung, die 1962 von der Firma George Wimpey als Satellitenort vor Edinburgh errichtet worden war. Ein künstlich erschaffener Ort, eine Schlafstadt. Catriona ist gebürtige Edinburgherin, und damit ist der Beweggrund, Baberton karikieren zu wollen, gefunden. Ich fragte Catriona, ob es in Ordnung ginge, wenn ich ihr ein paar Fotos von objets trouvés aus dem Jemen schickte, und sie sagte: Ja.
Umso mehr in Ordnung ging mein Konzept, da die Fotos eine Sammlung gefundener Kritzeleien darstellten. Nachdem ich diese abfotografiert hatte, arrangierte ich lediglich die Ausschnitte und die Zusammenstellung und gab den Bildern Namen. Zu sehen waren auf diesen Fotos ausschließlich Geldscheine. Mir war aufgefallen, dass im Jemen kaum Scheine kursierten, die nicht bekritzelt waren. Statt von objets trouvés zu sprechen, müsste man hier eigentlich den Begriff Ausgehändigte Kunst erfinden. Schaut man sich nun diese Bilder, die von Hand zu Hand wandern, an, so scheinen es tatsächlich kleine Motive zu sein. Oftmals handelt es sich auch einfach um Rechnungen, die direkt auf dem Schein notiert worden waren. Der Titel meiner Ausstellung, "Hotel Rimbaud – The Bill", bezog sich zum Einen direkt auf diese Rechenspiele, zum Anderen auf Dinge, die ich im Gegenzug für den Wert eines solchen Geldscheines erhalten haben mochte. Nicht zuletzt eben ein Hotelzimmer. Die Einzeltitel der Bilder zitierten nebenbei noch ganz leise die Arbeit "Casio, Seiko, Sheraton, Toyota, Mars" des US-amerikanischen Künstlers Sean Snyder aus dem Jahr 2005.


In der Galeri Baberton stellten über die Dauer ihrer Existenz zwischen 2004 und 2006 desweiteren Anna Duffy, Fred Bigot, Eva Revox, Isabel Reiß, David Sandreuter, Hank Schmidt in der Beek, Niklas Schechinger, Mie Nielson, Midori Harata, Robert Burghardt, Doreen Kirchner und Jo Zimmermann aus.
Catriona schreibt, sie habe damals auch versucht, diese virtuelle Galerie in einem realen Raum zu verankern. Es gab "Eröffnungen" in einer Bar in der Friedelstraße, Neukölln, dem "Heroes". Erst vor Kurzem sah ich am Eingang neben der Tür im Vorbeigehen das Foto der gleichnamigen LP von David Bowie hängen. Dem zweiten Album seiner Berlin-Trilogie. Ein Titel darauf heisst "The Secret Life of Arabia".



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